Der Zusammenhang zwischen Leiden und Sinn

Wenn man ein sinnvolles Leben führen will, muss man bis zu einem gewissen Grad ein Leben des Leidens wählen. Man könnte sich fragen: „Warum sollte die Evolution so böswillig sein und uns mit Schmerz verfluchen?“ Aber dafür gibt es tatsächlich ein gutes evolutionäres Argument: Der Schmerz hat die Funktion, uns zu lehren, Dinge zu vermeiden, die unserem Körper schaden. So wie der Hunger uns zum Essen und die Lust zum Sex treibt, hält uns der Schmerz von Dingen ab, die uns schaden könnten. Aber das wirft ein spannendes Rätsel auf: Wenn der Zweck von Schmerz wie Angst, Trauer und Scham und all den “negativen” Emotionen darin besteht, sie zu vermeiden, warum suchen wir sie dann manchmal auf? Warum haben wir guilty pleasures wie Videos, Shows oder Filme, die uns fremdschämen und schmachten lassen oder gar Angst machen? Warum tun wir Dinge, die unseren Körper bis an seine Grenzen bringen nur um diese zu erweitern? 

 

Worin besteht also die Verlockung des Schmerzvollen? Warum werden wir von ihm angezogen? 

 

Dieses Rätsel ist es, das Paul Bloom, Professor für Psychologie an der Universität von Toronto, beschreibt. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen gewähltem Leiden und ungewähltem Leiden: Ungewähltes Leiden, wie z.B. chronische Schmerzen, Jobverlust, Du wirst überfallen oder Dein Kind stirbt. Manchmal können Dich solche Erfahrungen stärken. Manchmal können sie Dich geistig, emotional oder sogar körperlich aufbauen, dies nennt man dann Post-Traumatisches-Wachstum. Da der Verlauf aber ungewiss ist, ist es in den meisten Fällen gut diese menschlichen Erfahrungen zu vermeiden. Wenn man kann und dies möglich ist, sollte man sie meiden.

 

In seinem Buch beschreibt Paul Bloom jedoch, der wahre Wert des Lebens, der Reichtum, liegt im gewählten Leiden.

 

Alan Watts hatte mal folgendes Beispiel: Nehmen wir mal an, Du gehst nachts zu Bett und befindest dich in einem luziden Traum wieder. Du könntest träumen, was immer Du willst. Jede Art von Freude, Vergnügen, jede Erfahrung, die Du willst. Wenn Du alles positiv fantasieren könntest, würdest Du es auch erleben. Dann wachst Du am nächsten Morgen auf und in der nachfolgenden Nacht hast wieder einen Traum und wieder ist es ein luzider Traum. Und wieder erkundest Du Vergnügen und alle möglichen Arten von Aufregung und Vergnügen. Aber früher oder später, so Watts, wird Dir das langweilig werden.

Was Du tun wirst, ist einige Hindernisse einzubauen. Man würde die Möglichkeit des Scheiterns einrichten. Ihr werdet Situationen schaffen, in denen ihr scheitert, denn wenn ihr nicht scheitert, dann bedeuten die Erfolge nichts, und bald werdet ihr in euren Träumen ein Leben voller Komplexität, Kampf und Schmerz führen. Er fügt hinzu, dass Du ein Leben führen wirst, das deinem jetzigen Leben sehr ähnlich ist. Es gibt hier eine tiefe Einsicht, nämlich dass die guten Dinge im Leben nur im Verhältnis zu den schlechten Dingen Sinn machen. Wenn man jeden Wettbewerb, an dem man teilnimmt, gewinnt, macht es keinen Spaß mehr.

 

Man muss auch die Möglichkeit haben, zu verlieren. Wenn alle deine Erfahrungen positiv sind, können sie nicht mehr positiv sein, man braucht ein Negativ.

 

Aus darwinistischer Sicht ist es kein Geheimnis, warum wir nach gutem Essen, gutem Sex, guter Gesellschaft und all diesen guten Dingen suchen. Aber Menschen tun mehr als das. Menschen entscheiden sich oft dafür, zu leiden, und zwar auf eine Art und Weise, die von leicht bis intensiv reicht. Die kleinen Dinge sind z. B. scharfe Chilis, Saunagänge, Eisbäder, Puzzle und Rätsel, Gruselfilme, harte Massagen, laufen oder trainieren, bis es weh tut. Wenn man es etwas weiter fasst, lassen sich manche Menschen gerne auf Projekte ein, die mit viel Leid und Schwierigkeiten verbunden sind. Niemand, der sich bewusst entscheidet, ein Kind zu bekommen, ist sich nicht darüber bewusst, dass dies auch schwierig sein wird. Wenn Du so gut in Form wärst, dass Dir das Training für einen Triathlon leicht fallen würde, hätte es für Dich keine große Bedeutung. Wenn jede:r einen 6000er Berg erklimmen würde, würde es jede:r machen. Aber die Schwierigkeit des Projektes ist ein Teil der Sache. Ein Teil dessen, was es so wertvoll macht!

Ich interessiere mich schon seit langem für die Beziehung zwischen einem sinnvollen Leben und gewähltem Leiden. Bedeutung und Sinn sind im weitesten Sinne eng verbunden mit Schwierigkeiten und Schwerstarbeit. Bloom meint sogar “Wenn es nicht anstrengend war, oder zumindest ein Zittern beinhaltet, dann ist es vermutlich auch nicht sinnstiftend”. Er bezieht sich auf Studien, bei denen Tausende von Menschen nach ihrem Job gefragt wurden. Dabei waren die sinnhaftesten Tätigkeiten nicht diejenigen, bei denen am meisten verdient wurde oder die den höchsten Status hatten. Am sinnvollsten waren Jobs in den unterstützenden Bereichen wie Erzieher und Lehrer oder medizinische Versorgung, welche Anstrengung und Schwierigkeiten mit sich trugen.

Wir sehen also in unserem Leben ein ganzes Spektrum von Leiden. Von den kleinen Dingen wie Chilischärfe oder Kreuzworträtsel. Keine Belohnung, nichts. Man tut es einfach, weil es anstrengend ist. Bis hin zu den Beschäftigungen, die unser Leben strukturieren wie sich auf eine Berufung einlassen, Liebe in einer Beziehung oder ein Kind groß zu ziehen.

Bloom stellt noch eine ziemlich starke Behauptung auf. Er glaubt, dass die Art und Weise, wie die Menschen über Bedeutung nachdenken, unsere Vorstellung davon, was eine essenzielle Erfahrung oder ein bedeutungsvolles Ziel oder ein sinnstiftendes Leben ist, ein gewisses Maß an Leid erfordert. Leiden könnte körperlicher Schmerz sein. Es könnte eine Schwierigkeit sein, es könnte eine Sorge sein. Es könnte die Möglichkeit des Scheiterns sein. Aber ohne all das ist die Erfahrung nicht erfüllend. Wir brauchen Schmerz und Leid, um ein reiches und glückliches Leben zu führen.

 

Mark Manson fragt in seinen medialen Kanälen gerne danach, welches Leid Du auf Dich nehmen möchtest um Deine Ziele zu erreichen. “Was ist dein Shitsandwich?”, in das Du bereit bist zu beißen? Welchen Schmerz bist Du bereit, bewusst auf Dich zu nehmen, um Deine Ziele zu erreichen?

Schmerz ist etwas normales und gehört zur menschlichen Erfahrung dazu. 

 

Da der Schmerz für ein erfüllendes Leben notwendig ist, stelle ich mich Dir als Vertrauenspartner und Coach zur Seite, Deinen selbst gewählten Schmerz zu erörtern. Dabei helfe ich diesen klar zu definieren, immer wieder dran zu bleiben und nachzujustieren, um auf Deinem Ziel-Kurs zu bleiben.

 

Und dann gibt es noch die andere Seite der Medaille, wo ich auch unterstützen möchte, mit nicht-gewähltem Leiden besser umgehen zu können. Hier helfe ich bei der Bewusstmachung und der Begleitung durch den Schmerz hindurch. Oft stehen uns gewisse negative Erfahrungen und damit einhergehenede Verhaltensweisen im Weg, unsere Ziele zu erreichen. Tief-gehende Enttäuschungen und traumatische Themen lassen sich manchmal schwieriger hinter sich bringen als andere Probleme. Um ein sinnstiftendes Leben zu führen, ist es wichtig, schmerzvoll Erlebtes neu einordnen zu können. Dafür ist es wesentlich, das Leidvolle auch zu verarbeiten, sich dem Schmerz zuzuwenden, die Wucht des Triggers raus zunehmen und das ggf. Traumatische neu framen zu können. Danach fällt der Rückblick leichter, da der Kraftaufwand des Verdrängens nicht mehr benötigt wird und anderweitig eingesetzt werden kann.

Falls Du Dir solche Themen in einem sicheren Raum mit mir anschauen möchtest, Dich also diesem “Shitsandwich” zuwenden möchtest, kannst Du gerne auf mich zukommen und eine erste Probestunde mit mir vereinbaren. Wir schauen uns an, wie ich Dich dabei unterstützen kann.

 

Quellen und weiterführende Links:

Paul Bloom – „The Sweet Spot: The Pleasures of Suffering and a Search for Meaning“

Mark Manson – „The Sublte Art of Not Giving a F*ck: A Counterintuitive Approach to Living a Good Life“

 

The Most Important Question of Your Life – Mark Manson: https://youtu.be/k3VCrlN_1OI?si=0UNgbk_9x5KLCqvG

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